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Friedrich-Gerstäcker-Preis 2024

Anja Reumschüssel ausgezeichnet für ihren bewegenden Nahost-Roman

Am 10. Februar 2025 wurde im Altstadtrathaus Braunschweig zum 35. Mal der Friedrich-Gerstäcker-Preis für Jugendliteratur verliehen. Die renommierte Auszeichnung, die als ältester Jugendbuchpreis der Bundesrepublik Deutschland gilt und mit 8.000 Euro dotiert ist, würdigt Werke, die Jugendlichen ab 12 Jahren auf fantasievolle Weise die Begegnung mit fremden Welten ermöglichen. Gleichzeitig sollen die prämierten Bücher Werte wie Toleranz und Weltoffenheit in sprachlich anspruchsvoller Form vermitteln und zur Auseinandersetzung mit fremden Kulturen anregen.

Preisträgerin 2024: Anja Reumschüssel

Die diesjährige Preisträgerin ist die Autorin und Journalistin Anja Reumschüssel für ihren Jugendroman „Über den Dächern von Jerusalem“. Reumschüssel hat Publizistik, Soziologie und Theologie studiert und war unter anderem für GEO Wissen, Spiegel Online und den STERN tätig. Durch ihre Leidenschaft für Reisen abseits von Touristenrouten sowie für fremde Kulturen bereiste sie unter anderem Israel und das Westjordanland. Nach ihrem mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichneten Sachbuch Extremismus und weiteren Titeln in der Carlsen-Klartext-Reihe veröffentlichte sie mit „Über den Dächern von Jerusalem“ im Februar 2023 ihren ersten Jugendroman.

Ein hochpolitischer Jugendroman

Ihr preisgekröntes Buch verwebt vier Lebensgeschichten auf zwei Zeitebenen und vermittelt fundiert und vielschichtig die historischen und aktuellen Hintergründe des Nahostkonflikts: 

1947/48 begegnen sich die jüdische Halbwaise Tessa und der arabische Junge Mo in Jerusalem. Trotz ihrer unterschiedlichen Hintergründe verbindet sie eine vorsichtige Freundschaft, doch die Wirren der Staatsgründung reißen sie auseinander.
2023 trifft die israelische Soldatin Anat bei einer Übung im Westjordanland auf den jungen Palästinenser Karim. Angst trennt sie zunächst, doch im Gespräch erkennen sie ihre Gemeinsamkeiten. Als Karim bei einer Demonstration verhaftet wird, setzt sich Anats Mutter für ihn ein.

Mit großer Sachkenntnis verknüpft Reumschüssel historische Ereignisse mit persönlichen Schicksalen und zeichnet ein differenziertes Bild des Nahostkonflikts, das die Komplexität des Themas nachvollziehbar darstellt – ohne zu werten oder zu belehren, aber mit der Hoffnung auf Versöhnung. Ein wertvoller Jugendroman, das findet auch die Jury des Gerstäcker-Preises, welche ihre Entscheidung wie folgt begründet:

„»Über den Dächern von Jerusalem« ist ein sprachlich und inhaltlich exzellentes Buch, das auf nahbare und authentische Weise die gemeinsame Geschichte Israels und Palästinas und ihre bis heute andauernde Auswirkung näherbringt. […] Bei den Leser:innen entsteht eine emotionale Verbindung zu den Charakteren, die es ermöglicht, die komplexen Zusammenhänge des aussichtslos erscheinenden Konflikts und die verschiedenen Sichtweisen anzunehmen und einzuordnen. […] »Über den Dächern von Jerusalem« ist ein Buch, das Menschen jeder Altersklasse sehr bewegen kann und dessen dort dargestellter Konflikt nach der Veröffentlichung noch deutlich an Brisanz zugenommen hat.“

Die Preisverleihung

Die Veranstaltung wurde von Braunschweigs Bürgermeisterin Anke Kaphammel eröffnet, die in ihrer Ansprache die Bedeutung von Jugendliteratur im Zeitalter wachsender digitaler Medien betonte. Sie lobte die literarische Kraft, die Jugendliche dazu anregt, sich mit globalen Themen auseinanderzusetzen.

Besonders bewegend war die Laudatio der Jugendjury. Die jungen Juror:innen erinnerten an den Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und betonten, wie wichtig es sei, gerade Themen wie Terror, Hass und Krieg in der Jugendliteratur zu behandeln. Diese seien zwar die härtesten Stoffe, um darüber zu schreiben, aber zugleich die wichtigsten. Auch der Autor und Journalist Martin Schäuble würdigte Anja Reumschüssels Werk in seiner Laudatio. Er hob hervor, wie eindrücklich der Roman vermittelt, dass Menschen täglich mit den Auswirkungen dieses Konflikts leben müssen, und dankte der Autorin für ihr wertvolles Werk.

Im Anschluss erfolgte die feierliche Preisübergabe durch Bürgermeisterin Kaphammel. Anja Reumschüssel bedankte sich herzlich für die Auszeichnung und betonte die Verantwortung, die Autor:innen tragen, wenn sie komplexe politische und gesellschaftliche Themen für junge Leser:innen aufbereiten.

Fotos: © Stadt Braunschweig/Daniela Nielsen