Die Museumsdruckerei als Lernort: Bilderbuchprojekt der Marion-Blumenthal-Oberschule Hoya
Die Klasse 7d der Marion-Blumenthal-Oberschule Hoya widmet sich seit letztem Jahr einer ganz besonderen Aufgabe: Sie erstellt in Zusammenarbeit mit der Museumsdruckerei Hoya „Zwiebelfisch“ e.V. ein Bilderbuch über das Leben der Namensgeberin ihrer Schule. Die Schüler:innen arbeiten hierfür gemeinsam im Klassenatelier der Druckerei an den historischen Maschinen, setzen die Schrift, schneiden Bilder in Linoleum und erstellen Probedrucke. Auch beim finalen Druck dürfen sie die ehrenamtlichen Mitarbeitenden der Museumsdruckerei unterstützen. Am Ende soll das Bilderbuch um die 20 Doppelseiten umfassen und voraussichtlich im Sommer 2023 in einer Auflage von ca. 600 Exemplaren erscheinen. Bemerkenswert ist, dass die Holocaust-Überlebende Marion Blumenthal Lazan, die heute in New York lebt, das Schaffen persönlich begleitet und mit den Schüler:innen über das Telefon, Zoom und E-Mails im Austausch steht.
Marion Blumenthal Lazan wurde 1934 in Hoya geboren und musste 1938 mit ihrer jüdischen Familie zuerst die Stadt und dann das Land verlassen. Die Flucht gelang nicht – stattdessen geriet die Familie ins Konzentrationslager Bergen-Belsen, das Marion Blumenthal Lazan nur knapp überlebte. Durch den Kontakt zur Zeitzeugin wird den Schüler:innen noch stärker bewusst, welch wichtige Rolle ihre Arbeit spielt: Mit ihrem Bilderbuch tragen sie dazu bei, dass die Vergangenheit nicht vergessen wird. Einige Schüler:innen der Klasse 7d mussten in ihrem Leben selbst fliehen, weshalb die Themen Flucht und Krieg für sie besonders nachvollziehbar und mit eigenen Emotionen verbunden sind. Bei der Erstellung des Bilderbuchs, das Anlass zu Gedanken und Gesprächen über solche Erfahrungen bietet, können sie viele ihrer eigenen Ideen einbringen.
Das Projekt wurde von der Lehrerin Karolin Greis initiiert. Da das Buch „Vier kleine Kiesel“ über die Lebensgeschichte von Marion Blumenthal Lazan für viele Schüler:innen der OBS Hoya zu unverständlich ist, verfasste sie in Absprache mit der Zeitzeugin einen vereinfachten und gekürzten Text für ein Bilderbuch. Die Jugendlichen der Klasse 7d hatten bereits etwas Erfahrung mit der Arbeit in der Museumsdruckerei und konnten bei der Umsetzung des Buchprojekts helfen. Mittlerweile fühlen sie sich in der Druckerei wie zuhause, werfen sich motiviert ihre Arbeitskittel über und gehen mit einer Selbstverständlichkeit ihren Abläufen nach, die Karolin Greis begeistert. Die Schüler:innen unterstützen sich gegenseitig, diskutieren angeregt über Bilddarstellungen und korrigieren eigenständig ihre Rechtschreibung. Der Schriftsatz wird gerne mit einem auf dem Smartphone passend gedrehten Foto überprüft.
Ohne die Vereinsmitglieder der Museumsdruckerei Hoya, die die Schüler:innen ehrenamtlich in der Druckerei betreuen, wäre die Umsetzung des Projekts nicht möglich gewesen. Das Bestehen der Museumsdruckerei und ihre umfangreiche Ausstattung sind Michael und Sylke Linke zu verdanken. Seit über 30 Jahren sammelt Michael Linke Maschinen und Schriftsätze aus alten Druckereien. Das Ehepaar betrieb die Museumsdruckerei schon an ihrem ehemaligen Standort neben dem Kulturzentrum über 20 Jahre. 2022 zog die Druckerei in den neuen Standort der Alten Molkerei Hoya um, der unter anderem durch das Programm „Zukunftsräume in Niedersachsen“ gefördert wurde.
Eine Museumsdruckerei bzw. ein Druckereimuseum bieten sich auch für kleinere Projekte oder einmalige Ausflüge als außerschulische Lernorte an, besonders für fächerübergreifenden Unterricht. Die Schüler:innen lernen nicht nur etwas über die Geschichte des Druckens und können sich künstlerisch ein wenig ausprobieren, sondern setzen sich auch auf eine ganz neue Weise mit Texten und Buchkultur auseinander. Dadurch wird ein Besuch der Druckerei zur gelebten Leseförderung. Karolin Greis berichtet, dass die Arbeit mit dem Text in der Druckerei auch Schüler:innen mit Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten erstaunlich leichtfällt. Mit der gespiegelten Schrift des Buchstabensatzes kämen Schüler:innen mit Legasthenie gut zurecht. Darüber hinaus denkt Karolin Greis, dass das Setzen von Text in der Druckerei für Kinder und Jugendliche, die Deutsch als Fremdsprache lernen, hilfreich sein könnte. Es fördere das Verständnis für einzelne Silben und helfe dabei, die Lesefähigkeit spielerisch zu verbessern.
Wer mehr über die Museumsdruckerei Hoya und ihre Angebote erfahren möchte, gelangt hier zur Website. Dort wird auch darüber informiert, wo das Buch erhältlich ist und wie es online bestellt werden kann.
Fotos: © Marion-Blumenthal-Oberschule Hoya/Karolin Greis