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Zwischen Algorithmen und Ideologien – Wenn Rechtspopulismus viral geht

© Peter Hammer Verlag

In „Egal war gestern“ von Jörg Isemeyer erleben Leser:innen hautnah mit, wie sich das Leben des 13-jährigen Finn von einem Moment auf den anderen verändert. Finn und sein bester Freund Lennard betreiben einen Kanal auf der TikTok ähnlichen Plattform SoMe und feiern erste Erfolge mit lustigen Kurzvideos. Als sie mit Sam, einer Mitschülerin mit angolanischen Wurzeln, eine Kooperation eingehen, treten sie eine Welle von Hasskommentaren und rassistischen Anfeindungen los. Während Finn um Follower und Anerkennung kämpft, muss er feststellen, wie schnell sich Hetze im Netz verbreiten kann. Gleichzeitig gerät sein Vater, Lehrer an Finns Schule, ins Visier, als er sich gegen rassistische und rechtspopulistische Tendenzen ausspricht. Der Konflikt eskaliert und wird zu einer gesellschaftlichen Debatte, in die Finn unweigerlich hineingezogen wird.

Isemeyer wählt mit Finn einen Ich-Erzähler, dessen Entwicklung fesselnd und authentisch dargestellt wird. Gerade Jugendliche dürften sich mit seiner Unsicherheit, seinem Wunsch nach Zugehörigkeit und seinen inneren Konflikten identifizieren. Der Autor zeigt eindringlich, wie sich Finns Blick auf Politik und Gesellschaft wandelt: Vom unbeteiligten Beobachter wird er zum Nachdenkenden, der erkennt, wie tiefgreifend die aktuellen Entwicklungen sind. Besonders beeindruckend ist die realistische Schilderung der Dynamiken in Sozialen Netzwerken. Das Buch macht deutlich, wie schnell sich Hass im Netz ausbreitet und welche Macht digitale Plattformen auf Meinungen und gesellschaftliche Strömungen haben. Gleichzeitig führt es vor Augen, dass Rechtspopulismus längst keine Randerscheinung mehr ist. Isemeyer zeigt, wie Parolen, die noch vor wenigen Jahren als undenkbar galten, plötzlich in Klassenzimmern und Wahlprogrammen auftauchen.

Der Sprachstil ist altersgerecht und flüssig zu lesen, ohne zu vereinfachen. Jugendliche Leser:innen werden mit Finns Gedanken und Emotionen mitfiebern und dabei unweigerlich ins Nachdenken geraten. Gerade deshalb eignet sich das Buch hervorragend als Schullektüre. Es bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte für Diskussionen über Rassismus, Demokratie und die Verantwortung im Umgang mit Sozialen Medien. Egal war gestern ist ein hochaktuelles Buch, das zeigt, dass Wegsehen keine Option ist. Es regt zur Reflexion an, ohne belehrend zu sein und bleibt lange nach der letzten Seite im Kopf.

Das hochaktuelle Kinderbuch ist Teil des diesjährigen Julius Clubs. Kinder ab 11 Jahren können sich ab sofort zum Sommerleseprogramm anmelden und vom 20. Juni bis zum 20. August in einer teilnehmenden Bibliothek in ihrer Nähe mitmachen. Neben insgesamt 100 spannender Bücher zu dem Motto "Julius mischt mit" warten abwechslungsreiche Veranstaltungen und spannende Aktionen.

Jörg Isemeyer: Egal war gestern. Wuppertal: Hammer, 2024. Ab 12 Jahren