Zofia und Tom haben eins gemeinsam: Sie sind beide 11 Jahre alt, aber abgesehen davon könnten sie unterschiedlicher kaum sein. Zofia ist wild, laut, impulsiv, mutig und eine begeisterte Schwimmerin, Tom hingegen ein stiller und introvertierter Junge, der sich kaum etwas zutraut und vor vielen Dingen Angst hat. Beide mussten schon früh in ihrem Leben traumatisierende Erfahrungen machen. Während Zofias Mutter kurz nach der Geburt verstorben ist, wächst Tom alleine mit seiner Mutter auf, nachdem der gewalttätige Vater ins Gefängnis kam. Das hat beide auf sehr unterschiedliche Weise geprägt. Dennoch haben sie sich mit ihrem Leben mit nur einem Elternteil gut arrangiert und wünschen sich in ihrem tiefsten Inneren, dass es genauso bleibt.
Doch allem Wünschen zum Trotz bleibt im Leben selten etwas so, wie es ist: Als die Eltern der beiden sich ineinander verlieben, werden Zofia und Tom unfreiwillig zu Geschwistern und damit vor große Herausforderungen gestellt. Während Zofias Angst, den Vater teilen zu müssen, sich in ungebremster Wut entlädt, fürchtet Tom ihre wilde ungestüme Art, die seine Ängste weiter wachsen lässt. Eine schwierige Situation, die sich verschärft, als sich in der Patchworkfamilie ein Baby ankündigt, bei dem schon vor der Geburt ein Herzfehler festgestellt wird. Am Ende ist es jedoch die gemeinsame Sorge um das Baby, die alle zusammenschweißt. Auch Zofia und Tom finden zueinander. Sie erkennen, dass sich hinter Zofias Wut ganz viel Angst verbirgt und Tom manchmal viel mutiger ist, als man denkt, und sie beginnen sich in ihrer Andersartigkeit zu akzeptieren und zu unterstützen.
Die Geschichte wird kapitelweise abwechselnd aus der Sicht von Tom und Zofia erzählt, was den Leser:innen die Möglichkeit gibt, die Geschehnisse aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und sich in die Gefühlslagen beider Figuren hineinzuversetzen.
Neben den beiden Hauptfiguren spielt das Meer in dieser Geschichte eine wichtige Rolle und ist viel mehr als nur Hintergrundkulisse. Es wird in zahlreichen Textpassagen sehr poetisch und sinnlich beschrieben. Mal stürmisch, aufbrausend und gefährlich dunkel, mal friedlich und von sanften in der Sonne glitzernden Wellen durchzogen spiegelt es die Stimmungen und Gefühle der Hauptpersonen wider und ist gleichzeitig Symbol für das sich stetig verändernde Leben.
Ein einfühlsames und sprachlich sehr gelungenes Kinderbuch mit einem Happy-End, das fast schon ein bisschen zu „happy“ für die Geschichte ist.
Katya Balen: Wünsche an die Wellen. München: Hanser, 2025. Ab 11 Jahren.