Omar ist vier Jahre alt, als er mit seinem jüngeren Bruder Hassan ganz allein und völlig ausgezehrt Dadaab, das weltweit größte Flüchtlingslager in Kenia, erreicht. In ihrem Heimatdorf in Somalia mussten die beiden die Erschießung ihres Vaters miterleben und wurden danach im Kriegsgefecht von ihrer Mutter getrennt. Diese schrecklichen Erlebnisse haben Omar so stark traumatisiert, dass er sie mit allen Mitteln zu vergessen versucht. „Meine ersten Jahre sind wie ausgelöscht“ sind die Worte, mit denen Omar beginnt, seine Geschichte zu erzählen. Die Leser:innen begleiten ihn durch den harten Alltag im Flüchtlingscamp. Sie erfahren, dass es hier nie genug zu essen gibt und dass man, um Wasser zu holen, weit laufen und lange anstehen muss. Außerdem gibt es keine medizinische Versorgung, die Hassan, der körperlich beeinträchtigt ist und nicht sprechen kann, so dringend bräuchte. An manchen Tagen im Camp fühlt Omar sich wie in einem riesengroßen Gefängnis voller Langeweile und Warten auf ein anderes, besseres Leben.
Als Omar die Möglichkeit bekommt, zur Schule zu gehen, sieht er eine Chance auf eine bessere Zukunft für sich und seinen Bruder. Dennoch schmerzt es ihn, Hassan täglich zurücklassen zu müssen, um am Unterricht teilzunehmen. Omar nutzt jede freie Minute zum Lernen und geht gerne zur Schule. Umso mehr, als ihm bewusst wird, dass gleichaltrige Mädchen im Flüchtlingslager gar nicht zur Schule gehen dürfen oder die Schule abbrechen müssen, weil sie verheiratet werden oder man sie im Haushalt braucht.
Gegen alle Widrigkeiten des Alltags kämpft Omar so lange, bis er schließlich zu den Schulbesten gehört. Das, was ihn antreibt, ist seine ungebrochene Hoffnung auf ein Leben außerhalb des Camps. Diese nimmt Gestalt an, als er zu einem Gespräch zur Klärung einer Umsiedlung eingeladen wird. Es folgen weitere Gespräche und viele Jahre des zunehmend verzweifelten Wartens, bis Hassan und Omar tatsächlich die Möglichkeit bekommen, das Flüchtlingslager für immer zu verlassen.
Wie dem mit Fotos versehenen Nachwort des Buches zu entnehmen ist, handelt es sich um die Lebensgeschichte des Autors, die in diesem 250 Seiten umfassenden Comicroman mit knappen Textpassagen erzählt wird. Das Leseerlebnis ist durch die geschickte die Kombination von Bild und Text besonders intensiv.
Mit dem Titel „Wenn Sterne verstreut sind“ ist dem Autorenteam Victoria Jamieson und Omar Mahamed eine emotionsreiche und aufrüttelnde Geschichte gelungen: ein Buch, das berührt und aufklärt und das man vor allem nicht einfach so zuschlägt und vergisst.
Aufgrund des überschaubaren Textumfangs sowie der Verfügbarkeit als günstige Taschenbuchausgabe für knapp 10,00 € ist der Titel als Klassenlektüre zu empfehlen. Etwas nachteilig für leseschwächere Kinder ist eventuell die für Comics typische kleine Schrift. Das Buch eignet sich gut als Diskussionsgrundlage zur aktuellen Flüchtlingsthematik und öffnet die Augen für die Not geflüchteter Menschen.
Für alle Interessierten gibt es hier einen hörenswerten Audio-Buchtipp.
Victoria Jamieson, Omar Mohamed: Wenn Sterne verstreut sind. Berlin: Adrian, 2022. Ab 10 Jahren.