Juliane Pickels Jugendroman „Krummer Hund“ in Worte zu fassen, ist schwer. Allein die Würdigung des hervorragend konzipierten Personals – allesamt echte Typen mit Ecken und Kanten, egal ob Haupt- oder Nebenfigur – nähme schon sehr viel Platz ein. Hinzu kommt eine Handlung, die keine leichte Kost ist. Insofern kann hier nur grob skizziert werden. Oder noch besser: Rezension beiseitelegen und gleich den Roman lesen!
Schon der Anfang ist skurril. Da flirtet der Tierarzt, der gerade Daniels Hund „umbringt“, mit dessen Mutter. Daniel hasst ihn für die Erlösung des krebskranken Hundes und vermutet, dass Thomas König nur ein weiterer Mann ist, der seine Mutter langfristig unglücklich machen wird und der ihm Gespräche über Mädchen und Fußball aufzwingt. Aber Thomas ist anders: Er nimmt Daniel ernst und versucht nicht, den Ersatzpapa zu spielen. Daniels Wut auf den ihn schmilzt und er baut zu diesem Mann ein Vertrauensverhältnis auf. Doch ausgerechnet Thomas gerät in Verdacht, den Bruder von Princess Evil, der unnahbaren und fiesen Mitschülerin Alina, überfahren und dann Fahrerflucht begangen zu haben. Dieser furchtbare Verdacht bringt das fragile Gebilde zum Einsturz. Und wenn bei Daniel etwas einstürzt, dann mit Pauken und Trompeten.
Daniel leidet an unberechenbaren Tobsuchtsanfällen. Seine Gewalt gegen jeden und alles, was sich in seiner Nähe befindet, und seine Hilflosigkeit wegen eben dieser Ausbrüche sind nur schwer zu ertragen. Wenn Daniel explodiert, ist er besinnungslos. Was er da anrichtet, reimt er sich aufgrund von Erinnerungsfetzen zusammen. Alternativ erfährt er es von seiner Mutter, die als Erziehungsberechtigte eingeschaltet wird. Aus der Perspektive des Ich-Erzählers Daniel erlebt die Leserschaft mit, wie die Sinne aussetzen, wie „heißes, giftiges Gas“ ausströmt und wie sich das schlechte Gewissen und seine Hilflosigkeit anfühlen. Seine Mutter ist ihm kaum eine Hilfe. Zu sehr ist sie mit sich selbst und ihrer Suche nach ihrem eigenen Liebesglück beschäftigt, fällt jedes Mal in ein tiefes Loch, wenn sich der aktuelle Mann wieder nicht als Prince Charming entpuppt. Nur in Edgar, seinem besten Freund (Typ genial-verrückter Künstler), scheint Daniel den nötigen Rückhalt zu finden. Selbst als Daniel sich der gemeinsamen Feindin Alina annähert (und dabei ihre menschliche Seite kennenlernt), hält Edgar zu ihm.
Daniels genaue Beobachtungsgabe und schonungslose Schilderung sorgen für ein intensives Leseerlebnis. Ganz nah rückt die Leserschaft an diesen 15-Jährigen und seine Wahrnehmung der Welt heran. Ein Ventil für die sich immer wieder aufbauende (An-)Spannung bieten die teilweise lakonischen Darstellungen. Wenn die Therapeutin ein rosafarbenes, geblümtes Kissen vor Daniel legt und ihm sagt, das sei seine Wut, mit der er reden möge, ist das unfreiwillig komisch, ja beinahe grotesk. Trotzdem geraten die Handlung und seine Figuren nie lächerlich oder stereotyp. Juliane Pickel hat mit Fug und Recht zahlreiche Auszeichnungen für diesen Roman erhalten. Eine absolut empfehlenswerte Lektüre!
Juliane Pickel: Krummer Hund. Weinheim: Beltz & Gelberg, 2021.