Repetitive Lesestrategien
Mit repetitiven Lesestrategien versuchen Leser:innen das Textverständnis durch wiederholtes Lesen einzelner Wörter, Sätze oder Abschnitte sicherzustellen. Die Anwendung dieser Strategien erfolgt oft bereits unbewusst: Wenn ein Satz (oder ein Satzteil oder ein Wort) nicht verstanden wird, so wird er nochmal gelesen. Dies kann der Fall sein, wenn der Text zu viele unbekannte oder besonders schwierige Wörter enthält, die den Leser:innen nicht geläufig sind, oder aus mehrteiligen Satzgefügen besteht. Bei zu langsam lesenden Lerner:innen ist die Leseflüssigkeit nicht hoch genug. Dies kann zu einer Überforderung des Arbeitsgedächtnisses führen. Werden Sätze mehrfach gelesen, erhöht sich die Leseflüssigkeit, sodass im Arbeitsgedächtnis Kapazitäten zum inhaltlichen Verständnis frei werden. Zur gezielten Steigerung der Leseflüssigkeit dienen Lautleseverfahren.
Elaborierende Lesestrategien
Der Einsatz von elaborierenden Lesestrategien hat das Ziel, den Text mit vorhandenem Vorwissen zu verknüpfen, also über den eigentlichen Text hinauszugehen und ihn in einen Wissenskontext einzubinden. Die meisten elaborierenden Lesestrategien eignen sich besonders gut zur Vorentlastung des Leseverstehens, das heißt sie kommen vor dem eigentlichen Lesen zur Anwendung. Zu dieser Gruppe gehören die Folgenden:
- Thema oder Inhalte aus der Überschrift ableiten
- von Visualisierungen auf den Inhalt schließen
- Fragen oder Erwartungen an den Textinhalt formulieren (auf Basis von Überschrift und Visualisierungen)
- Vermutungen verbalisieren und Vorwissen zum Thema einbringen
- Textsortenkenntnisse aktivieren
Besonders wirksam vermittelt werden die elaborierenden Lesestrategien auf zwei Arten: zum einen durch das Wissen über die einzelnen Lesestrategien und ihre theoretischen Einsatzmöglichkeiten (dies ist selbst eine metakognitive Lesestrategie), zum anderen durch eine praktische Vorführung. Dazu modelliert die Lehrkraft eine konkrete Anwendung, indem sie ihre Gedanken laut ausspricht und an einer Aufgabe vorführt. Ein Beispiel für eine solche Modellierung finden Sie in diesem Video.
Auch wenn einige Lesestrategien simpel scheinen, sollten sie getrennt voneinander eingeübt werden. Erst wenn eine Lesestrategie von den Schüler:innen beherrscht wird, führt die Lehrkraft die nächste ein und gibt den Lerner:innen wiederholt Gelegenheit zur angeleiteten Anwendung mit reflektierendem Austausch im Plenum. Die Anwendung von Lesestrategien ist für die rund 25% der Schüler:innen, die laut IGLU 2021 eine zu geringe Lesekompetenz aufweisen, besonders wichtig. Diese Schülergruppe profitiert dabei besonders von einer langsamen und gestuften Einführung.
Reduktiv-organisierende Lesestrategien
Reduktiv-organisierende Lesestrategien werden angewendet, um den gelesenen Inhalt so zu ordnen, dass eine Reduzierung der angebotenen Informationen stattfindet. Diese Lesestrategien finden zum Teil während des Lesens Anwendung, zum Teil nach dem Lesen. Sie sind für die Auseinandersetzung mit Sachtexten unerlässlich und auch um gezielte Aufgaben zu erzählender Literatur zielführend zu bewältigen. Ohne reduktiv-organisierende Lesestrategien müssten sich die Leser:innen schlichtweg den gesamten Inhalt eines Textes merken. Bereits vor dem Lesen kommt eine zentrale Reduktion des bevorstehenden Leseprozesses folgender Strategie zu:
- die Aufgabenstellung vorab lesen um einen adäquaten Lesestil auszuwählen
Es ist nötig, dass die Aufgabenstellung vor dem Lesen bekannt ist, damit der Lesestil und die weiteren Lesestrategien auf dieses Ziel hin angewendet werden. Was inhaltlich wichtig ist, können Leser:innen erst entscheiden, wenn sie über die Leseabsicht aufgeklärt sind. Es gibt nur wenige Textsorten, die wir für ein totales Textverständnis lesen, dies geschieht überwiegend aus persönlichem Interesse am Inhalt. Die Mehrheit der täglich von uns konsumierten Texte wird selektiv nach den gesuchten Informationen gelesen. Die Anwendung eines totalen Lesestils wäre hierbei nicht zielführend (z. B. bei einer Gebrauchsanleitung zur Behebung eines Problems; bei einem Wikipedia-Artikel, in dem ich nur einige Informationen nachlesen will; in einem Internetforum; in einer Tageszeitung; auf einem Busfahrplan; u.v.m.).
Die weiteren reduktiv-organisierenden Lesestrategien gehen über eine reine Merkhilfe hinaus, da sie auf inhaltlichem Verständnis fußen. Die Leser:innen setzen sich aktiv mit dem Text auseinander, wenn sie die folgenden Lesestrategien anwenden:
- Schlüsselwörter markieren
- Randnotizen erstellen
- Kernaussagen herausarbeiten
- Sinnabschnitte einteilen
- Zwischenüberschriften erstellen
- Inhalte in andere Textformate überführen
- Inhalte zusammenfassen
Ebenso wie bei den elaborierenden Lesestrategien ist es für eine nachhaltige Nutzung der reduktiv-organisierenden Lesestrategien unerlässlich, die Anwendung gemeinsam mit den Schüler:innen zu üben und zu reflektieren. So ist bspw. das Markieren von Schlüsselwörtern eine komplexe Aufgabe und erst möglich, wenn der Inhalt des Satzes verstanden wurde. Zusammen mit der Lehrkraft sollten Schüler:innen besprechen, welche Markierungen wirklich zielführend sind.